Experteninterview

„Work whenever, wherever“ - Awin startet Pilotprojekt mit einer 4-Tage-Woche


Eine 4-Tage-Woche in unserer Branche? Warum nicht! Das Affiliate-Netzwerk Awin ist damit Vorreiter und startet ein Pilotprojekt, um den Mitarbeitern noch mehr Work-Life-Balance zu bieten. Vanessa Kury hat uns im exklusiven Interview verraten, was Awin dazu bewegt hat und wie sie die Effizienz und das Service-Level halten wollen.

Vanessa Kury ist seit Februar 2019 als Director Client Services and Go to Market bei Awin und vervollständigt seitem das strategische Führungsteam. Sie verantwortet dabei das Advertiser Key Account Development Team, das Advertiser Key Account Sales Team und den Aufbau von Industrie Experten Teams. Sie blickt auf eine langjährige Erfahrung im Mediabereich zurück und war lange Jahre als Mediaplanerin in namenhaften Agenturen tätig.

Awin arbeitet seit ca. einem halben Jahr in einer 4,5-Tage-Woche. Wie haben die Mitarbeiter reagiert, als dies verkündet wurde?

Als im März 2020 unsere 1000+ Mitarbeiter weltweit von einen Tag auf den anderen ins Homeoffice wechselten, war uns schnell klar, dass Homeoffice im Lockdown nicht Homeoffice im eigentlichen Sinn ist. Homeschooling und Homeoffice – das war eine riesige Herausforderung für unsere KollegenInnen mit Kindern, speziell mit Kleineren.

Um unsere MitarbeiterInnen während dieser Doppelbelastung zu unterstützen, haben wir den „Family-Freitag“ im März 2020 eingeführt, der unseren MitarbeiterInnen weltweit ermöglichte, sich freitags ab 14 Uhr ganz auf ihre Familie zu konzentrieren: Zeit mit den Kindern verbringen, pflegebedürftige Angehörige versorgen, Ausgleich beim Sport finden. Darauf haben alle MitarbeiterInnen durchweg positiv reagiert. 93% gaben bei den Mitarbeiterumfragen an, dass sie sich während der Pandemie von Awin unterstützt gefühlt haben – das ist natürlich ein super Wert, auf den wir stolz sein können.

Wie kam es jetzt dazu die Woche um einen weiteren halben Tag zu verkürzen? Was war der Grund für diese Entscheidung oder gab es sogar ein Unternehmen als “Vorbild”?

Awin hat bereits vor drei Jahren erste Ideen für ein neues Arbeitszeitmodell geschmiedet. Wie bei vielen Unternehmen hat die Pandemie einige Konzepte aber beschleunigt – so auch unsere Vision einer 4-Tage-Woche. Nachdem wir die 4,5-Tage-Woche über 10 Monate testen konnten, haben wir die Pilotphase nun auf eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ausgeweitet. Das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter steht für uns an erster Stelle und deswegen sind wir überzeugt, dass glückliche Mitarbeiter effektiver arbeiten.

Eine 4-Tage-Woche ist noch ein relativ neues Konzept – aber verschiedene Unternehmen rollen das Konzept in verschiedenen Länder aus. Zum Beispiel wird Unilever in Neuseeland in 2021 eine 4-Tage-Woche für alle Mitarbeiter einführen und Microsoft hat in 2019 eine Produktivitätssteigerung von 40% bei einer 4-Tage-Woche-Testphase gesehen. Ein konkretes Beispiel gab es aber nicht.

Lasst Ihr den Mitarbeitern auch die freie Wahl beim Arbeitsplatz. Sprich, ob Sie ins Office möchten oder im Homeoffice arbeiten?

Wir bieten allen Mitarbeitern die höchstmögliche Flexibilität. Wir nennen das intern „Work whenever, wherever“. Wir hatten bereits eine Homeoffice Policy, haben diese aber nun auf alle Werktage erweitert. Die Mitarbeiter können vollkommen selbstständig entscheiden, ob und wann sie im Büro oder im Homeoffice arbeiten wollen. Es ist auch möglich in jedem Land, in dem Awin ein Büro hat, zu arbeiten. Wir sind außerdem aktuell dabei, unsere Büros den neuen Gegebenheiten anzupassen, um Innovation und Zusammenarbeit auf kreativen Flächen ausreichend Platz zu bieten.

Was sind die größten Herausforderungen für Euch als Unternehmen und wie bewältigt Ihr sie?

Die wohl größte Herausforderung ist es, eine Vision in die Realität umzusetzen. Es gibt natürlich sehr viele arbeitsrechtliche und steuerliche Themen zu beachten – und das für 15 verschiedene Märkte. Da wird eine Kleinigkeit schnell zum Mammutprojekt. Wir sind aber sehr stolz, dass weltweit mehr als 80 Kollegen freiwillig in verschiedenen Arbeitsgruppen an Themen wie Büroumgestaltung, Change in Mindset, interne/externe Kommunikation und agilen Arbeitsmethoden gearbeitet haben. Nur so konnte die Vision auch tatsächlich umgesetzt werden.

Und für die Mitarbeiter? Gibt es Unstimmigkeiten bei der Wahl “wer wann arbeiten” möchte?

Bisher läuft alles reibungslos und fast alle Mitarbeiter konnten ihren Wunschtag frei nehmen. Denn ihr werdet überrascht sein – nicht jeder will das Wochenende verlängern. Einige Teams arbeiten auch mit einem Rotationsprinzip, sodass bspw. jeder mal Freitag frei hat. Bei kleineren Teams funktioniert es aber auch mit fixen Tagen super. Wir sehen hier aber einen tollen Zusammenhalt in den Teams. Alle sind super motiviert, dass unsere Pilotphase erfolgreich ist und arbeiten deswegen optimal Hand in Hand, um sich jederzeit zu unterstützen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass man sich erst ein wenig ausprobiert, welcher Tag der ideale freie Tag ist. Ich habe in einer australischen Studie gelesen, dass Mittwoch der ideale Tag sei, da die Arbeitswoche in zwei kleine Wochen zerlegt wird. Ich bin gespannt, was wir in den nächsten Monaten lernen werden.

Arbeiten die Awin-Mitarbeiter wirklich effektiver in einer kürzeren Zeit? Wie könnt Ihr das nachvollziehen?

Bei der 4-Tage-Woche geht es nicht darum, dass Mitarbeiter einfach 20% weniger arbeiten. Wir sind überzeugt und es wurde auch in Studien nachgewiesen, dass glückliche Mitarbeiter produktiver und effektiver arbeiten – und so weiterhin qualitativ hochwertige Arbeit abliefern, jedoch in kürzerer Zeit. Die Work-Life-Balance wird also allgemein enorm gesteigert.

Genau davon sind wir auch überzeugt und wollen deswegen immer weiter daran arbeiten, das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu erhöhen. Wir werden während der Pilotphase verschiedene Faktoren beachten. Beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit über die internen Umfragen. Außerdem haben wir im Herbst 2020 das Projektmanagement-Tool Asana eingeführt, um Prozesse zu verschlanken und zu automatisieren. Weitere Tools werden folgen, um die Effektivität zu steigern.

Wie haltet Ihr Euer Service-Level hoch? Ist jederzeit ein Ansprechpartner für Advertiser und Publisher zu erreichen?

Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg unserer Pilotphase ist natürlich, dass wir allen Partnern und Kunden weiterhin den bestmöglichen Service bieten. Wir garantieren eine 5-Tage-Erreichbarkeit für unsere Kunden, indem wir Ressourcen und Themen auf das gesamte Team verteilen. Wir werden also wie gewohnt sicherstellen können, dass alle Kunden und Partner jederzeit Unterstützung erhalten und sie keine Änderung spüren.

Was denkst Du? Wird sich eine 4-Tage-Woche auch in anderen deutschen Unternehmen durchsetzen?

Ich denke, dass immer mehr Unternehmen sich getreu dem Motto „Work smarter, not harder“ aufstellen. In der Presse liest man aktuell sehr viel zu Homeoffice, neuen Arbeitszeitmodellen, Diversität etc. – die Arbeitswelt scheint sich aktuell stark zu wandeln. Ich denke also, dass man als Arbeitgeber immer flexibel bleiben muss und sich an diese Veränderungen anpassen muss.